Wiederaufbau: ECA-Versuchssiedlung Krefeld Linn

Nach Kriegsende gewann Krefeld in einem durch die amerikanische Besatzungsmacht initiierten Wettbewerb als eines der deutschlandweit 15 geförderten Projekte unter den mehreren hundert Bewerbern. An der Hafenstraße in Krefeld-Linn entstand 1952/53 die ECA-Versuchssiedlung Krefeld, die von der amerikanischen „Economic Cooperation Administration“ (ECA) die den Marshall-Plan umsetzte, vollständig finanziert wurden.

Die in Krefeld entstandene Siedlung ist in wesentlichen Teilen erhalten und lässt interessante Aspekte des Nachkriegs-Siedlungsbaus des später erst Fahrt aufnehmenden Wirtschaftswunders in der jungen Bundesrepublik erkennen.

Geschichte und Hintergrund

Vorgeschichte:

Der enormer Bedarf für Wohnraum in der Nachkriegszeit in Deutschland

Bombardierung Krefeld, Quelle: National Archives at College Park, The National Archives and Records Administration (NARA) USA, 1945

Nach dem Kriegsende entstand in Deutschland ein enormer Bedarf an Wohnungen, große Teile der Städte waren in den Bombardements zerstört worden, Krefeld hatte 70% des Wohnungsbestandes verloren, siehe Bombardierungen Krefelds.

Zudem waren immer mehr Flüchtlinge angekommen und suchten Arbeit und ebenso dringend Wohnraum.

Ein US Report Anfang 1949 beschreibt die Wohnsituation in Westdeutschland so: „Ten million additional persons are crowded into the housing left over after destruction of about three million housing units during the War. The long-term program provides for rehabilitation by repair of only somewhat over one million housing units by 1952/53.2

Erste ausserordentlich dängende Neubauaktivitäten entstandenen in Krefeld 1950 durch die Gemeinnützigen Bau- und Siedlungs-Aktiengesellschaft Krefeld (heute die Wohnstätte) auf schon zuvor im Besitz der Gesellschaft befindlichen Flächen an der Hülser Straße, eine Siedlung mit Blocks am Korekamp in Oppum und auch die Siedlung Stahldorf wurde auf einem Grundstück aus dem Besitz der Edelstahlwerke erweitert.

100 Nachkriegs-Baulücken in der Krefelder Innenstadt

eine der typischen Baulücken in Krefeld

Auf den zerbombten Flächen der Krefelder Innenstadt verzögerten die ungelösten Grundbesitzverhältnisse eine rasche Neubebauung nicht nur in der Nachkriegszeit, die Lücken konnten bis in unsere Zeit nicht vollständig geschlossen werden.

Bis heute ist dies im Kern der Stadt in den über 100 nicht geschlossenen Baulücken, die größtenteils um 1943 während der Bombardierung in der Innenstadt entstanden waren, eindrücklich zu besichtigen. Erweitert man den Kreis auf die unmittelbare angrenzenden Bebauungen, ist diese Zahl noch wesentlich höher.

Zu den 100 Baulücken siehe weiterführendes unter Wirstadt.org

US Marshall Plan und Nachkriegswohnungsbau in Krefeld

Die politische Verantwortung in Deutschland hatten die Alliierten übernommen, federführend die USA. Die US Administration installierte mit dem European Recovery Program (ERP), bekannt als Marshall Plan, ein Wirtschaftsförderungsprogramm das auch in Deutschland zur Wirkung kam.

Aus Sicht der Amerikaner musste für den enormen Wohnraumbedarf, die viel zu geringen Bauaktivitäten, nun dringend von den herkömmlichen in Deutschland ausgeführten Bauweisen abgewichen werden und dafür schnell neuartiges Baumaterial ausprobiert und neues Bauland nach amerikanischem Vorbild in dezentralen suburbanen Siedlungen gewonnen werden.

Die Economic Cooperation Administration (ECA) wurde ins Leben gerufen, um Wirtschaft und der Konsum durch Bauaktivitäten anzukurbeln. Ziele der Maßnahmen der ECA waren:

  • schnellerer Neubau von Siedlungen durch neue und bisher nicht zugelassene Baumaterialien
  • neue Wohnsiedlungen auch unter der Umgehung der bestehenden Baugesetzgebung ermöglichen
  • das Eigenheim und dessen massenhaften Verkauf als das Mittel, die deutsche Wirtschaft zu beflügeln
  • Schnelligkeit vor Langlebigkeit, Eigenheime sollte nicht mehr in der in Deutschland zuvor üblichen hohen Qualität gebaut werden

Seitens der ECA wurden nun für den Siedlungsbau Wettbewerbe ausgeschrieben und „um die Entwicklungen neuartiger Lösungen zu ermöglichen, waren die eingereichten Vorschläge für die ECA-Bauten an die bestehenden baupolizeilichen Vorschriften nicht gebunden.“ 3 Die ECA-Siedlungen sollten den Beschäftigen in wirtschaftswichtigen Industriezweigen vorbehalten sein.

ECA-Versuchssiedlung in Krefeld Linn

Krefeld gewann als eines der deutschlandweit 15 Projekte unter mehreren hundert Bewerbern. An der Hafenstraße in Krefeld-Linn entstand 1952/53 die ECA-Versuchssiedlung Krefeld, die von der amerikanischen ECA vollständig finanziert wurden.

ECA-Versuchssiedlung Krefeld. Ausschnitt aus Luftbild, Quelle: Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland, RW 230, Hansa Lufbild AG, Luftbildpläne 1951-1970, Nr. 17629

Die Siedlung ist aufgelockert mit großen Grünflächen geplant worden, unmittelbar angrenzend an den Greiffenhorstpark in Linn. In den Versuchssiedlungen wurden sehr unterschiedliche und schnellere Bauweisen getestet, die Wände, Böden/Decken abweichend von den gängigen Baunormen ausgeführt. Erprobt wurden u.A. Ziegelsplittbeton-Füllkörper, Hüttenbims-Hohlblocksteine, Naturbims-Hohlblocksteine in verschiedenen Ausführungen und Stärken.

Aufgrund der innerhalb der Bauvorhaben unterschiedlichen Bauweisen, auch der wiederholt wechselnden Ausführungen innerhalb einer einzelnen Baumaßnahme, wurden im Auftrag des Bundesministers für Wohnungsbau durch die TH-Braunschweig schon 1953 umfangreiche Untersuchungen nach Fertigstellung der Siedlungen angestellt.

Darunter wurde auch die ECA-Versuchssiedlung in Krefeld begutachtet, um die Vor- und Nachteile sowie das Abweichen von bestehenden Normen zu begutachten.

Eines der Ergebnis für Krefeld lautete: „Sämtliche in der ECA-Siedlung Krefeld eingebauten Deckenkonstruktionen bieten keinen ausreichenden Trittschallschutz. Die durchgeführten Isolierungsmaßnahmen sind fast wirkungslos.“

Bemerkenswert ist aber, neben den eher ernüchternden technischen Ergebnissen, ein ganz anderer Aspekt: der von den Amerikanern im Wettbewerb geforderte Eigenheimbau.

Quellen:

1 Der Hüffer-Flugzeugbau
in Münster, Paderborn und Krefeld Von Günter Frost (ADL)
siehe Arbeitsgemeinschaft deutsche Luftfahrthistorik

2 Western Germany Country Study
Economic-Cooperation Administration
February 1949, Washington D.C.

3 Schall- und wärmetechnische Untersuchungen an den ECA-Entwicklungsbauten
Braunschweig – Bremen – Hannover – Krefeld – Lübeck von
Th. Kristen, H. Brandt und W. Westhoff, 1953

4 https://www.konrad-adenauer.fbede/quellen/artikel/1959-12-19-vorwort-deutschland-wiederaufbau

5 https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41761883.html

6 Hintergründe Greenbelt Programm: ab Seite 216 in
„City of the future“: Modellstadt Greenbelt – Maryland von Dirk Schubert