Bombardierungen Krefelds

Quelle: Imperial War Museum, © IWM OPX 77 https://www.iwm.org.uk/collections/item/object/1060029867

Im „Battle of the Ruhr“ war das Ruhrgebiet das primäre Ziel der englischen Bomber, Krefeld gehörte zu diesem Zielbereich. Den einzelnen Flächenzielen wurden Tarnnamen zugeteilt, Krefeld bekam den Tarnnamen MAHSEER (Stachel-Karpfen).

Nach der 1942 vollzogen neuen Area Bombing Directive des Royal Airforce (RAF) Bomber Command unter dem britischen Luftmarschall Arthur Harris war das vorrangige Ziel der Luftangriffe nunmehr die Moral der feindlichen Zivilbevölkerung und die Moral der Industriearbeiter. Die Änderung der Strategie ist in den erfolglosen Versuchen zu sehen, wirkungsvoll und zielgenau Einzelziele anzugreifen. Die Ziele der Flächenbombardements sollten, neben den weiter angeflogenen militärischen- und industriellen Zielen, nun insbesondere in den Wohngebieten der Städte liegen.

Diese Strategie der Flächenbombardements wurde auch nach Erfolgen mit Präzisionsbombardements, wie Beispielhaft der Angriff auf die Eder- und Möhnetalsperre am 16. auf den 17. Mai 1943 zeigte, dennoch weiter verfolgt.

Krefeld wurde als Ziel identifiziert, weil dort Chemiewerke, große Textilfabriken in denen Fallschirme hergestellt wurden, metallverarbeitende Betriebe die Kurbelwellen für Flugzeugmotoren und Panzerplatten herstellen würden. Ausserdem sei die Stadt ein bedeutendes Eisenbahndrehkreuz.

Großangriff der RAF auf Krefeld am 22. Juni 1943

Flugroute England – Krefeld – England am 29.01.1945 eines Lancaster Bombers der RAF Base Waterbeach des 514 Squadron, Aufzeichnung der geplotteten Flugroute von Martin Catty, Angriff auf “Krefeld Marshalling Yards,” IBCC Digital Archive, accessed February 24, 2021, https://ibccdigitalarchive.lincoln.ac.uk/omeka/collections/document/16272

Die Mitschrift von Joan Gardiner im Bomber Command HQ High Wycombe zum Angriff auf Krefeld listet 696 Bomber, die sechs verschiedenen Gruppen des RAF Bomber-Kommandos angehörten. Die Flugzeugtypen waren 262 viermotorige Avro Lancaster, 117 viermotorige Short Stirling, 209 viermotorige Handley Page Halifax Bomber, sowie 105 zweimotorige Vickers Wellington Bomber.

Der festgelegte Angriffsmodus war laut Aufzeichnung Musical Paramatta = der Code für „Blind Ground Marking using Oboe„. Übersetzt: der Zielbereich Krefeld sollte durch unterschiedliche farbige Leuchtbomben markiert werden und dazu das elektronische „Oboe“ Funknavigationsgerät genutzt werden. Die hoch entwickelten Oboe-Empfänger konnten in den „Pathfindern“ (Markierungsflugzeugen) Funksignale von Sendern in England empfangen, um den genauen Standort über dem feindlichen Ziel ablesen zu können.

Zur Zielmarkierung wurden 12 schnelle De Havilland DH.98 Mosquito Mehrzweckflugzeuge eingesetzt, die aufgrund ihrer Leichtbauweise mit Holz so hohe Geschwindigkeiten und Flughöhen erzielten, dass sie für die deutsche Luftverteidigung nahezu unangreifbar waren.

H2S Bodenradarbild, Position über Krefeld. Foto: RAF, während des Angriffs auf Düsseldorf im November 1944

Das Wetter über dem Ziel in Krefeld waren dünne Wolkenflecken, durch die die farbigen Markierungsbomben deutlich zu sehen waren. Der Abwurf der verschiedenfarbigen Markierungsbomben lief in drei Wellen mit 1000m, in den weiteren Wellen 3000m Höhe, jeweils mit ca. 15min Abstand, zwischen 01:27 Uhr bis 02:20 Uhr ab. Die Bomber flogen zwei Angriffe.

Die Luftaufklärung der RAF ergab, dass 75% der nun Krefeld überfliegenden 619 Bomber ihre Ladungen von 2.306t innerhalb von 4.800m um das markierte Ziel abwarfen.

11 der als Ziel identifizierten Fabriken und 12 andere kleine Industriegebiete wurden zerstört oder schwer beschädigt, das Gaswerk wurde zusammen mit zweien der Gasbehälter durch Feuer beschädigt. Die Luftaufklärung ergab allerdings auch, dass der größte Schaden bei Geschäfts- Wohn- und öffentlichen Gebäuden eintrat. Während des Angriffs wurden über den Niederlanden und Deutschland acht der Bomber von Flakfeuer und 30 von deutschen Jagdflugzeugen abgeschossen.

Am 1. Juli 1943 berichten US amerikanische Zeitungen wie die St. Petersburg Times aus Florida über die Luftangriffe auf Krefeld, siehe hier, die australische The Sidney Morning Herald siehe hier.

Der Angriff wurde durch einen RAF Avro Lancaster Bomber in 4500m höhe fliegend mit zwei Bordkameras für den Immediate Assessment of Damage Report gefilmt. Die Zielgenauigkeit des Bombenabwurfs war im Film, aufgrund der kurzen Lichtimpulse der Bomben, besser auszuwerten als mit Fotografien. Einer dieser Filme ist im Imperial War Museum erhalten: RAF Bomber Command Attack on Krefeld, Angriffe am 21/22.6.1943, im Film ab Minute 6:33.

Nach dem Angriff auf Krefeld wurden bei Tageslicht Fotos der Luftaufklärung gemacht.


Berichte aus Krefeld meldeten für den 22. Juni 1943, dass 1036 Krefelder starben, mehr als 9000 verletzt wurden und mehr als 72000 Menschen obdachlos waren. 82% der Gebäude in der Innenstadt waren zerstört, darunter 6000 Wohngebäude, 25 Verwaltungsgebäude, rund 20 Schulen und auch 37 Industriegebäude.

Krefeld 1945, Quelle: National Archives at College Park, The National Archives and Records Administration (NARA) USA

Deutsche Edelstahlwerke

Im „Bomber`s Baedeker“, der Auflistung strategischer Ziele der britischen Royal Airforce, ist über das Werk zu lesen: „Die Hauptbedeutung Krefelds liegt im großen Anteil an der Spezialstahlerzeugung, die hier im ausgedehnten Komplex der Deutschen Edelstahlwerke AG konzentriert ist. Das ist einer der führenden deutschen Hersteller von Spezialstählen, Drehstahlen, Flugzeugstahl, Panzerplatten und anderer Waren von Bedeutung für die Kriegsproduktion.“ Das Werk wurde in die höchste Stufe eingeordnet.

Der erste Bombenangriff auf Krefeld mit neun Bomben erfolgte auf das Edelstahlwerk am 22. Mai 1940. Im Werk gab es keine Schäden. Siehe deutsche Edelstahlwerke

I.G. Farben Werk Uerdingen

Während Luftangriffen 1944 wurden Teile der Kampfstoffproduktion im Werk getroffen, in denen Adamsit (Azin) hergestellt wurde. Zerstört wurde durch einen Luftangriff das Wohnhaus des Industriellen Edmund ter Meer. Siehe Farbenfabrik Weiler ter Meer.