Eines der spannendsten Stücke Krefelder Industriegeschichte spielt nicht im feinen Samt und Seide Milieu, sondern da wo in die Hände gespuckt wird und glühendes Eisen die Welt erblickt. In einem traditionsreichen Stahlwerk, das fern aller Resourcen, schon fast „auf dem platten Land“ gebaut wurde. Warum das so ist, erzählen wir hier. Das Endprodukt ist jedenfalls auch etwas „feines“: edelster Stahl.
Sehenswert sind ist der Blick ins Werk von Stahldorf aus, die Zentrale/Hauptverwaltung der deutschen Edelstahlwerke an der Gladbacher Straße und der Blick in den ältesten Teil des Werks von der Brücke aus.
Geschichte und Hintergrund

Im Januar 1892 bildete sich mit Interessierten aus Gladbach bis Krefeld ein Komitee für den Ausbau eines Rhein – Niers – Kanals und jene liessen einen Plan dazu ausarbeiten. Im Frühjahr 1898 las der Besitzer einer Ringofenziegelei in Fischeln von den fertiggestellten Kanalplänen.
Ringofen-Ziegeleibesitzer Peter Bitter hatte ebenso in einer Zeitung gelesen, dass im Ruhrrevier ein Fabrikbesitzer ständig Land für Stahlwerke aufkaufen würde.
Ein für Massengüter und den Rohstofftransport ideal geeignet Transportweg wie dieser projektierte Kanal, dazu sein großes Grundstück auf der Fischelner-Heide, das war für für Ringofen-Ziegeleibesitzer Peter Bitter wohl eine interessante Kombination.

Jener Fabrikbesitzer im Ruhrrevier war August Thyssen und erstaunlicherweise meldete sich dieser auf einen Brief Bitters rasch zurück. Man sei durchaus interessiert, das Land solle aber bitte sehr groß sein! Bitter sprach mit seinen Nachbarn und gewann sie für den Verkauf des Landes.

Foto: No restrictions, Link
Währenddessen wurde in Krefeld an den Kanalplänen weiter gearbeitet. 1894 ergaben die Berechnung hohe Bau-, Unterhaltungs- und Betriebskosten und der Plan wurde letztendlich verworfen.
War nun das Projekt ein Stahlwerk in Krefeld (genauer gesagt, der damals eigenständigen Gemeinde Fischeln) zu errichten, etwa obsolet geworden? Mitnichten, man entschied sich nun aber für ein Stahlwerk speziell zur Herstellung erstklassiger Werkzeugstähle.
Am 27. Dezember 1899 wurde das Land dazu die „Actiengeseltschaft Vulcan in Fischeln“ eingebracht, deren Aktionäre unter Anderen der Besitzer der Ringofenziegelei Peter Bitter und der Industriekapitän August Thyssen waren.

Quelle: Ausschnitt aus Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland, Karte 8849
Diese Gesellschaft übertrug einen Teil des Grundbesitzes am 29. Mai 1900 an die „Stahlwerk Actien-Gesellschaft in Crefeld“. Das Gelände erstreckte sich nun von der Gladbacher Straße aus bis zur preußischen Staatsbahnlinie Krefeld-Willich und war für damalige Verhältnisse – auch für ein Stahlwerk – sehr groß. Man begann mit der Produktion, das Werk wuchs in der Folge Schritt für Schritt.
1905-1908 entstand an der heutigen Oberschlesienstraße, in kurzer Distanz zum Stahlwerk, eine Siedlung mit Werkswohnungen, die den passenden Namen „Stahldorf“ erhielt.
Im Ersten Weltkrieg wurde erstmals die Produktion von Waffen aufgenommen. Den Bedarf an hochwertig ausgeführten Geschossen führte 1914 zum Bau einer Geschossfabrik, das Werk kam auf eine Monatsleistung von 180.000 Presslingen.

Nach Ende des Ersten Weltkriegs, mit Beginn der Ruhrbesetzung Anfang 1923, war das Werk von der Versorgung durch Kohle aus dem Ruhrrevier abgeschnitten, auch verbliebene Fertigerzeugnisse konnten nicht mehr über den Rhein ausgeliefert werden und das Werk wurde daraufhin stillgelegt.

Aufgrund der schwierigen Lage der Belegschaft, die Lohngelder blieben aus, auch die Währungsreform im November 1923 wurde kritisch gesehen, kam es zu einem zweimonatigen Streik, sodass das Werk erst Anfang 1924 seinen Betrieb mit rund 1.000 Mitarbeitern wieder aufnahm.

1927 wurde das Unternehmen in die „Deutsche Edelstahlwerke AG“ eingebracht. Diese fasste alle Edelstahlaktivitäten verschiedener zugehöriger Werke am Hauptstandort und Unternehmenssitz in Krefeld zusammen.

1929 wurde das Verwaltungsgebäude der Deutschen Edelstahlwerke der an der Gladbacher Straße fertiggestellt. Im Zweiten Weltkrieg begann man in Krefeld früh mit der Kriegsproduktion. Walter Rohland, 1933 der Betriebsleiter bei den Edelstahlwerken in Krefeld, wurde als „Panzer-Rohland“ bekannt.
1938 wurde das Krefelder Edelstahlwerk zum „nationalsozialistischen Musterbetrieb“ ernannt. Zur Einweihung der „Edelstahl Kampfbahn“ gegenüber der Hauptverwaltung des Werks am 13. November 1938 kam der Dr. Robert Ley, Reichsleiter der Deutschen Arbeiterfront (DAF) welche die Gewerkschaften nach deren Verbot ersetzt hatte, nach Krefeld.
Das Werk bekam durch die Einschätzung der Alliierten die höchste Priorität bei den Bombardierungen, trug allerdings offenbar keine Schäden davon. Siehe auch Bombardierung Krefelds.

1950 wurde die Montanindustrie neu geordnet und einige Werke wurden aus den „Deutschen Edelstahlwerken“ ausgegliedert.
Anfang der 1980er Jahre führte die Stahlkrise zu turbulenten Umordnungen der weltweiten Stahlproduktion und auch das Werk in Krefeld wechselte mehrfach den Eigentümer. Der ehemalige Gründungseigentümer des Stahlwerks Thyssen zog sich mit dem Verkauf der Edelstahlsparte an den Finnischen Stahlkonzern Outokumpu im Dezember 2012 aus Krefeld zurück.
Erhalt
Das Verwaltungsgebäude der ehemaligen deutschen Edelstahlwerke steht leer, der langfristige Erhalt kann nicht als gesichert angesehen werden.
Auf dem Werksgelände zwischen der Oberschlesien- und Gladbacher Straße werden weiterhin rost-, säure- und hitzebeständige Edelstähle in Form von warm- und kaltgewalztem Band und Blech unterschiedlicher Oberflächenausführung erzeugt. Im Werk sind rund 1800 Mitarbeiter beschäftigt.

Der Edelstahlmarkt hat jedoch mit Überkapazitäten zu kämpfen.
Teile des Geländes samt Hauptverwaltung wurden Stand 2022 verkauft und sollen abgerissen und als Logistik Standort überbaut werden.
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Deutsche Edelstahlwerke
von Christoph Becker