Deutsche Edelstahlwerke

Eines der spannendsten Stücke Krefelder Industriegeschichte spielt nicht im feinen Samt und Seide Milieu, sondern da wo in die Hände gespuckt wird und glühendes Eisen die Welt erblickt. In einem traditionsreichen Stahlwerk, das fern aller Resourcen, schon fast „auf dem platten Land“ gebaut wurde. Warum das so ist, erzählen wir hier. Das Endprodukt ist jedenfalls auch etwas „feines“: edelster Stahl.

Sehenswert sind ist der Blick ins Werk von Stahldorf aus, die Zentrale/Hauptverwaltung der deutschen Edelstahlwerke an der Gladbacher Straße und der Blick in den ältesten Teil des Werks von der Brücke aus.

Geschichte und Hintergrund

Crefelder Stahlwerk AG, Foto: 1922, Städtebautlas Crefeld

Im Januar 1892 bildete sich mit Interessierten aus Gladbach bis Krefeld ein Komitee für den Ausbau eines Rhein – Niers – Kanals und jene liessen einen Plan dazu ausarbeiten. Im Frühjahr 1898 las der Besitzer einer Ringofenziegelei in Fischeln von den fertiggestellten Kanalplänen.

Ringofen-Ziegeleibesitzer Peter Bitter hatte ebenso in einer Zeitung gelesen, dass im Ruhrrevier ein Fabrikbesitzer ständig Land für Stahlwerke aufkaufen würde.

Ein für Massengüter und den Rohstofftransport ideal geeignet Transportweg wie dieser projektierte Kanal, dazu sein großes Grundstück auf der Fischelner-Heide, das war für für Ringofen-Ziegeleibesitzer Peter Bitter wohl eine interessante Kombination.

Ringöfen, Grundstück, Karte Fischelner Heide, 1886. Ausschnitt. Quelle: Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland, Karte R RW 1948

Jener Fabrikbesitzer im Ruhrrevier war August Thyssen und erstaunlicherweise meldete sich dieser auf einen Brief Bitters rasch zurück. Man sei durchaus interessiert, das Land solle aber bitte sehr groß sein! Bitter sprach mit seinen Nachbarn und gewann sie für den Verkauf des Landes.

Währenddessen wurde in Krefeld an den Kanalplänen weiter gearbeitet. 1894 ergaben die Berechnung hohe Bau-, Unterhaltungs- und Betriebskosten und der Plan wurde letztendlich verworfen.

War nun das Projekt ein Stahlwerk in Krefeld (genauer gesagt, der damals eigenständigen Gemeinde Fischeln) zu errichten, etwa obsolet geworden? Mitnichten, man entschied sich nun aber für ein Stahlwerk speziell zur Herstellung erstklassiger Werkzeugstähle.

Am 27. Dezember 1899 wurde das Land dazu die „Actiengeseltschaft Vulcan in Fischeln“ eingebracht, deren Aktionäre unter Anderen der Besitzer der Ringofenziegelei Peter Bitter und der Industriekapitän August Thyssen waren.

Karte Stahlwerk und Siedlung Stahldorf, 1916
Quelle: Ausschnitt aus Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland, Karte 8849

Diese Gesellschaft übertrug einen Teil des Grundbesitzes am 29. Mai 1900 an die „Stahlwerk Actien-Gesellschaft in Crefeld“. Das Gelände erstreckte sich nun von der Gladbacher Straße aus bis zur preußischen Staatsbahnlinie Krefeld-Willich und war für damalige Verhältnisse – auch für ein Stahlwerk – sehr groß. Man begann mit der Produktion, das Werk wuchs in der Folge Schritt für Schritt.

1905-1908 entstand an der heutigen Oberschlesienstraße, in kurzer Distanz zum Stahlwerk, eine Siedlung mit Werkswohnungen, die den passenden Namen „Stahldorf“ erhielt.

Im Ersten Weltkrieg wurde erstmals die Produktion von Waffen aufgenommen. Den Bedarf an hochwertig ausgeführten Geschossen führte 1914 zum Bau einer Geschossfabrik, das Werk kam auf eine Monatsleistung von 180.000 Presslingen. 

Aus einem Briefkopf 1924, Quelle: Stadtarchiv Krefeld

Nach Ende des Ersten Weltkriegs, mit Beginn der Ruhrbesetzung Anfang 1923, war das Werk von der Versorgung durch Kohle aus dem Ruhrrevier abgeschnitten, auch verbliebene Fertigerzeugnisse konnten nicht mehr über den Rhein ausgeliefert werden und das Werk wurde daraufhin stillgelegt.

Das Wachstum der Werksanlagen auf einem Schaubild:

Quelle: DEW Mitteilungsblatt 1953
Walzwerk der Crefelder Stahlwerk AG, Foto: 1922, Städtebautlas Crefeld

Aufgrund der schwierigen Lage der Belegschaft, die Lohngelder blieben aus, auch die Währungsreform im November 1923 wurde kritisch gesehen, kam es zu einem zweimonatigen Streik, sodass das Werk erst Anfang 1924 seinen Betrieb mit rund 1.000 Mitarbeitern wieder aufnahm.

Edelstahlwerke, Quelle: Stadtarchiv Krefeld
Im Stahlwerk, Quelle: Stadtarchiv Krefeld

1927 wurde das Unternehmen in die „Deutsche Edelstahlwerke AG“ eingebracht. Diese fasste alle Edelstahlaktivitäten verschiedener zugehöriger Werke am Hauptstandort und Unternehmenssitz in Krefeld zusammen.

Werke der Deutschen Edelstahlwerke DEW, Quelle: DEW Mitteilungsblatt 1953
Hauptverwaltung der Deutschen Edelstahlwerke. Foto: Christoph Becker

1929 wurde das Verwaltungsgebäude der Deutschen Edelstahlwerke der an der Gladbacher Straße fertiggestellt.

Der erste Elektrolichtbogenofen wurde 1930 installiert.

Im Zweiten Weltkrieg begann man in Krefeld früh mit der Kriegsproduktion. Walter Rohland, 1933 der Betriebsleiter, wurde als „Panzer-Rohland“ bekannt. 

Nationalsozialistischer Musterbetrieb

1938 wurde das Krefelder Edelstahlwerk zum „nationalsozialistischen Musterbetrieb“ ernannt. Zur Einweihung der „Edelstahl Kampfbahn“ gegenüber der Hauptverwaltung des Werks am 13. November 1938 kam der Dr. Robert Ley, Reichsleiter der Deutschen Arbeiterfront (DAF) welche die Gewerkschaften nach deren Verbot ersetzt hatte, nach Krefeld.

Im Werk waren Zwangsarbeiter eingesetzt. Fundierte Untersuchungen zur Zeit des Nationalsozialismus und den Edelstahlwerken stehen bisher noch aus.

Das Werk bekam durch die Einschätzung der Alliierten die höchste Priorität bei den Bombardierungen, trug allerdings offenbar keine Schäden davon. Siehe auch Bombardierung Krefelds.

Werksansicht Gladbacher Straße, ehemaliges Haupttor, heute Nebeneingang. Foto: Christoph Becker

In der Nachkriegsphase wurde 1950 die Montanindustrie neu geordnet und einige Werke wurden aus den „Deutschen Edelstahlwerken“ ausgegliedert.

Die Produktionsschritte im Werk Krefeld sahen 1953 wie folgt aus:

Quelle: DEW Mitteilungsblatt 1953


Quelle: Bundesarchiv

Das neue Schmelzwerk Nummer 3 mit zwei 70-Tonnen-Elektrolichtbogenöfen wurde 1952 von der DEMAG gebaut. 1963 nahm ein neues Drahtwerk den Betrieb auf.

Seit den 1970er Jahren wird das Werk immer wieder umbenannt und diversen Trennungen und Fusionierungen unterzogen:

1971 erfolgte die vollständige Übernahme der Deutschen Edelstahlwerke durch die August Thyssen Hütte AG (ATH).

1974 wird das Krefelder Werk mit der Edelstahlwerk Witten AG fusioniert,
der neue Name lautete nun Thyssen Edelstahlwerke AG, .

1977 wurde der erste von zwei 80-Tonnen-AOD-Konvertern durch die Firma GHH installiert.

1985 wurde ein Elektrolichtbogenofen modernisiert und der andere stillgelegt.

1989 wurde die alte Schmelzerei Nr. 1 (mit 30-Tonnen-Ofen) geschlossen.

Das Drahtwerk wurde 1993 stillgelegt.

1994: Trennung der Sparten

Sämtliche Schmiedeaktivitäten in Krefeld wurden 1994 aus der Thyssen Edelstahlwerke AG zur Edelstahlwerke Witten-Krefeld GmbH (EWK) ausgegliedert

1995 erfolgt die Fusion der Thyssen Edelstahlwerke AG mit dem Krupp-Edelstahlwerk in Bochum zur Krupp Thyssen Nirosta GmbH.

Im Jahr 2001 wurde eine Bandgießanlage installiert.

2005 wird die Edelstahl Witten-Krefeld GmbH (EWK) an die zur Schmolz + Bickenbach Gruppe gehörende Swiss Steel AG verkauft.

Daraus entsteht mit der Fusion der Unternehmen Edelstahl Witten-Krefeld GmbH (EWK) und Edelstahlwerke Südwestfalen die die Deutsche Edelstahlwerke GmbH

2009 werden zwei neue 80-Tonnen-AOD-Konverter in Betrieb genommen.

Die finnische Outokumpu-Gruppe übernimmt 2012 die Krupp Thyssen Nirosta-Werke

Die zur Schmolz + Bickenbach Gruppe gehörende Swiss Steel AG benennt 2016 den Produktionsbereich in „Deutsche Edelstahlwerke Speciality Steel“ um.


Auf dem Werksgelände zwischen der Oberschlesien- und Gladbacher Straße werden weiterhin rost-, säure- und hitzebeständige Edelstähle in Form von warm- und kaltgewalztem Band und Blech unterschiedlicher Oberflächenausführung erzeugt.

Im Werk sind rund 1800 Mitarbeiter in zwei verbleibendem Stahlunternehmen, die „Deutsche Edelstahlwerke Speciality Steel“ und Outokumpu beschäftigt.


Der Edelstahlmarkt hat mit enormen strukturellen Problemen, Überkapazitäten und hohen Stromkosten zu kämpfen. 

Grundstücksverkauf

2016 ist ein bedeutender Teil des Grundstücks- und des Gebäudebestands der Thyssen-Krupp AG in ganz NRW an den vergleichsweise kleinen Immobilieninvestor Thelen aus Essen weitergereicht worden. So auch wesentliche Teile des Edelstahlwerks in Krefeld.

Zum Verkauf wurde in „der Westen“, Funke Mediengruppe, am 4.10.2016 veröffentlicht: „In Essen hat eines der größten Grundstücksgeschäfte der Republik für Aufsehen gesorgt. Der Industriekonzern Thyssen-Krupp hat ein riesiges Immobilien- und Grundstückspaket – zusammen rund 1040 Hektar – verkauft. Erwerberin ist die mittelständische Thelen-Gruppe aus Essen, die sich inzwischen ein kleines Imperium geschaffen hat. Außerhalb der Fachöffentlichkeit kennt sie aber kaum jemand.„.

Thelen ist mittlerweile mit Projekten wie „Essen 51“ und dem Projekt „Smart Rhino“ für zwei grossflächige Immobilienentwicklungen in NRW bekannt geworden, die allerdings in den letzten Jahren auch mehrfach ins Stocken gerieten.

In Krefeld soll nun auch grossflächig aufgeräumt werden, allerdings nicht für neue Stadtteile, sondern für einen weiteren Amazon Logistik-Komplex in der Stadt, einer ist bereits im hinteren Teil des Rheinhafens bei Krefeld-Gellep bekannt und nutzt an das Hafenbecken angrenzende Grundstücke für Lagerhallen, die ausschließlich mit LKW bedient werden.

Ausschnitt Plan des Werkes, 1959, Quelle: thyssenkrupp Corporate Archives, A/9829

Erhalt

Die Werksanlagen aus der Gründungszeit um 1900 bis in die Zeit um den Zweiten Weltkrieg sind – Stand 2023 – aus öffentlichem Interesse unter den Denkmalschutz des Landes NRW gestellt.

Denkmalschutz Anmerkungen:

1. Die sogenannten „Rheinland Hallen“ der „Maschinenfabrik Rheinland AG“ aus Düsseldorf die 1927 ihre Produktion von Wälz-Kugellagern bis zum Zusammenschluss zur Svenska Kullagerfabriken SKF Sitz Schweinfurt 1929 kurzzeitig nach Krefeld verlagerte und einen eigenen Fabrikkomplex erstellte, der bis heute im Edelstahlwerkerk vorhanden und dort eingebettet ist, steht bisher noch nicht unter Denkmalschutz.

Die Edelstahl-Kugellager wurden unmittelbar neben dem benachbarten DEW Rohrwerk gefertigt, in dem die Lagerhüllen der Kugellager aus Rohr geschnitten wurden.

2. Das Verwaltungsgebäude der ehemaligen deutschen Edelstahlwerke ist ein Baudenkmal, steht allerdings leer, der langfristige Erhalt kann daher nicht als gesichert angesehen werden. Auch weil der neue Eigentümer unmittelbar Klage gegen den Denkmalschutz eingereicht hat und an dieser Stelle die Stadt Krefeld nun einen Verkehrskreisel für die Erschließung der Logistik Hallen entwickeln soll.

Perspektive aus dem Werk, auf den Aussichtsturm der Hauptverwaltung

3. Die größte Halle des Werkes, die in der Nachkriegszeit gebaute Tiefofenhalle, steht ebenso bisher nicht formell unter Denkmalschutz. Obwohl sie städtebaulich in naher oder ferner Zukunft zB. als bereits gebaute Hülle einer Veranstaltungshalle, oder aktuell durchaus für den Bedarf eines ganzen Theaters als Ausweichquartier-Hülle dienen könnte.

Denkmal-Perspektive ist durchaus die architektonischen Qualitäten des Stahlhallenbaus mit Backstein-Vorhangfassade um ein enormes Tragwerk für die Transportkräne der Kokillen erbaut wurde. Sie ist ein Monument.

Fotos: Tiefofenhalle

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Deutsche Edelstahlwerke
von Christoph Becker

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