Zucker Fabriken in Uerdingen

Die Rheinstadt Uerdingen ist auch für seine Zuckerindustrie gerühmt geworden. Denn Rohrzucker aus tropischen Ländern und Zuckerrüben aus dem Rheinland wurden hier in Raffinerien und den ersten Fabriken der Stadt zu Zuckerbroten, Kandis, Würfeln und auch Zuckerhüten raffiniert. Die lange Industriegeschichte Uerdingens begann mit diesen Zuckerfabriken und die letzte und auch größte der vielen Fabriken ist bis heute erhalten.

Sehenswert ist das langgesteckte Gebäude der Zuckerfabrik P. Schwengers Söhne aus dem Jahr 1893.

Geschichte und Hintergund

Der wichtigste Hafen für Zucker war lange Zeit Amsterdam, dort wurden bereits seit dem 17. Jahrhundert in Zuckerraffinerien aus Zuckerrohr, der aus tropischen Ländern importiert wurde, verschiedene Zuckerarten gewonnen. In Hamburg entstanden die ersten deutschen Zuckersiedereien, doch waren die hohen Transportkosten ins Rheinland nicht konkurrenzfähig.

Raffinerien für Rohrzucker

Erfahrene Kaufleute in Uerdingen investierten daher, begünstigt durch die gute Transportmöglichkeit des Rheins, in Zuckerraffinerien. Die Familie Herberz in Uerdingen beantragte bereits im Jahr 1805 die Genehmigung zur Errichtung einer ersten Rohrzuckerraffinerie, stromauf in Köln gründete der Seidenwarenhändler Herstatt zeitgleich seine erste Zuckersiederrei.

In diesen Raffinerien wurde das importierte Zuckerrohr zerkleinert und bei schonender Erhitzung entsaftet. Der Saft wurde dann mit mit allerlei Zutaten wie Kalk, oder durch Filtern und Pressen so lange bearbeitet, bis die unerwünschte Bitterstoffe entfernt waren.

In der Zuckerraffination wird durch weiteres Erhitzen, damals noch auf offener Flamme, der Rohsaft gesiedet und eingedickt, bis sich endlich die ersehnten Zuckerkristalle bilden. Je länger und öfter der Prozess wiederholt wurde, desto reiner und weisser wurde der Zucker.

Kontinentalsperre und Zuckerrüben

In benachbarten Frankreich bestand allerdings schon seit 1796 ein Importverbot für alle britischen Waren und somit auch den aus britischen Kolonien herangeführten Rohrzucker.

1806 wurde diese Sperre auf die kontinentaleuropäischen Staaten ausgeweitet. Damit sollte das Vereinigte Königreich Großbritannien und Irland zu Verhandlungen mit Frankreich gezwungen werden, aber auch die französische Wirtschaft gegen die Konkurrenz geschützt werden. Die Rohstoffquelle für den Zucker versiegte und man mußte sich nun dringend nach Ersatz umsehen.

Dabei lag es nahe, auf Runkelrüben zurückzugrei­fen. Denn der Naturwissenschaftler Franz Carl Achard hatte im Großversuch mit Runkelrüben erstmals bewiesen, dass die Rübe sich für die Zuckerherstellung als alternativer Rohstoff bestens eignen würde. Im Osten Europas waren die Initiativen für den Rübenanbau und die Zuckerraffinierung durch Großbäuerliche-Agrarinitiativen gefördert worden, am Niederrhein waren die Bauern allerdings vorerst skeptisch.

Daher förderte Napoleon im Roer Departement, dem durch Frankreich besetzen Teil des Rheinlands und somit auch Uerdingen, die wirtschaftliche Entwicklung des Zuckerrübenanbaus mittels Dekret. Er bestimmte, dass 32.000 Hektar des Landes mit Runkelrüben bepflanzt werden, 6 Experimentalschulen für Anbau und die Extraktion eingerichtet werden sollten, es wurden zudem 500 Lizenzen für Zuckerfabriken erteilt.

Zuckerpreis

Die Zuckerausbeute von Rüben war bei den damals noch primitiven Verarbeitungsmethoden verschwindend gering, die Rüben wurden gehackt und die Schnitzel auf offener Flamme ausgekocht, so entstand als dürftiges Ergebnis der Arbeit 2-3% raffinierter Zucker.

Aber der Zuckerpreis war während der Kontinentalsperre extrem in die Höhe geschossen und so lohnte sich auch diese recht unergiebige Produktion dennoch. Zu dieser Zeit lag der Handelspreis für einen Zentner (rund 50kg) Zucker in Hamburg zwischen 100 – 200 Talern, im Rheinland aber bereits bei bis zu 300 Talern. Eine direkte Umrechnung in Euro ist nicht genau möglich, allerdings kann überschlägig angenommen werden, dass 1kg Zucker im Jahr 1810 um 200€ wert war 1. Die Erzeugung und der Handel mit Zucker war somit ein ausgesprochen lukratives Geschäft.

Zuckerrüben aus Knechtsteden

1810 erwarben die Gebrüder Herberz Teile der Abtei Knechtsteden bei Dormagen und nutzte diesen Ort für Aufkauf oder den Anbau und die grobe Verarbeitung der Rüben, die im Umland angebaut wurden. 1812 wird der Familie Herberz die Erlaubnis erteilt, die Raffinerie in Uerdingen mit den Rüben-Vorprodukten aus Knechtsteden zu betreiben.

Überliefert ist aus Berichten französischen Minister des Innern, dass eine der bedeutendsten Zucker Raffinerien des gesamten Roer-Departements die der Herberz zu Ürdingen sei. Die Produktion von Rübenzucker lohnte sich aber nur, wenn die Qualität des erzeugten Zuckers deutlich mehr als „nur annehmbar“ war. Denn dies war das zweite Probleme der frühen Rübenzucker-Verarbeitung, er musste von bitteren Beigeschmack-Stoffen durch bessere Raffination befreit werden.

1813 bekamen die Herberz aus Uerdingen als Preis die siebte der Goldmedaillen der zu Gunsten der Fabriken und Manufakturen des Roer-Departements eingerichteten Ausstellungen in Aachen. Sie hatten dort zwei Brote Zucker, weißen und gelben Kandis aus Rübenzucker ausgestellt. 

Nachdem die Kontinentalsperre 1813 und kurze Zeit später die französische Herrschaft durch die preußische abgelöst wurde, bekamen alle Zuckerrüben-Raffinerien in Turbulenzen. Von der Familie Herberz wurde daher die Rübenzuckerproduktion in Knechtsteden in der Folge aufgegeben und in der Raffinerie in Uerdingen mit Rohrzucker weitergeführt.

Standorte der Uerdinger Zucker Raffinerien

In Uerdingen gab es gleich zwei Raffinerien von verschiedenen Teilen der Familie Herberz. Eine der Zucker verarbeitenden Betriebe lag jenseits der heutigen Bahnlinie, an der Landstraße nach Moers (heute Duisburger Straße), also ausserhalb der Stadtmauern, und war im Besitz der „Gebrüder Herberz„.

Es könnte somit sein, dass diese Fabrik jene ist, die bereits seit 1805 in Verbindung mit der Abtei Knechtsteden der „Gebrüder Herberz“ betrieben wurde. Andere Quellen berichten jedoch für diesen Standort das Jahr 1829.

Plan, undatiert, wohl um 1850, Zucker Fabrik der Gebr. Herberz an der Chaussee von Uerdingen nach Meurs, Ausschnitt, Quelle: Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland, Karte 1226

1853 wurde der Betrieb an der Moerser Landstraße (heute Duisburger Straße) von den Gebrüdern Jakob und Peter Schwen­gers übernommen.

Teilhaber Peter Schwengers schied aus dem gemeinsamen Betrieb aus und gründete 1868 eine weitere Zuckerfabrik P. Schwengers an einem neuen Standort, an dem sich heute in Uerdingen das Krankenhaus befindet. Dieser Betrieb wurde nach Erweiterungen 1870 und 1880 durch ein Großfeuer im Jahr 1893 vernichtet und danach im Norden Uerdingens, jenseits der mittlerweile errichteten Bahnlinien neu aufgebaut.

Werksansicht P. Schwengers Söhne, Quelle: Briefkopf 1923, Stadtarchiv Krefeld

Dieses Werk ist die letzte bis heute erhaltene Zuckerfabrik in Uerdingen und der neben der Bahnlinie langgestreckte Gebäudekomplex aus dem Jahr 1893 ist bis heute erhalten.

1871/72 wurde in der gesamten Provinz Rheinland in 12 Zuckerfabriken,

darunter in Uerdingen vier Fabriken:
P. R. Frings
J. M. Herbertz Wwe.
Gebr. Schwengers
P. Schwengers Söhne

28.057 Ctr. (Zentner/50kg) Kolonial-Zucker verarbeitet,
321.106 Ctr. (Zentner/50kg) Rübenzucker,
349.163 = ca. 17.500 Tonnen Zucker zusammen.

Später übernahm der große Rheinische und bis heute bestehenden Kölner Pfeiffer & Langen Konzern (Diamant Zucker) die Fabrik und hat diese 1962 stillgelegt.

Raffinerie in der Stadt

Eine weitere Zucker-Raffinerie Herberz lag im inneren der Stadt, und zwar zwischen der Burgstraße und dem Casino am Rhein. Der vorliegende nachfolgende Plan ist aufgrund eines Konzessionsantrags für eine Dampfmaschine im Jahr 1853 bei den zuständigen Behörden eingereiht worden. Mit Sicherheit hat diese zweite Raffinerie der Herberz Familie aber schon einige Zeit früher bestanden, manche Quellen beschreiben das Jahr 1825.

Übrigens variiert die Schreibweise des Namens der Familie Herberz und Herbertz.

Plan aus dem Jahr 1853, Witwe J.M. Herbertz, Zucker Raffinerie. zwischen Burgstraße und Casino am Rhein, Ausschnitt, Quelle: Landesarchiv NRW, Abteilung Rheinland, Karte 1694

Auf dieser Karte ist neben der „Zucker Raffinerie der Witwe J.M. Herbertz“ noch eine (die dritte) Zucker-Raffinerie Frings eingezeichnet. Diese wurde 1823 von Peter Rüdger Frings gegründet und seit 1844 durch Eduard Frings weitergeführt. Von der Frings Zucker-Raffinerie wird insbesondere die Produktion von Kandis erwähnt. Eduard Frings liess sich als Zweitwohnsitz im Jahr 1859 die Schloßartige Villa Marienfeld bei Rüdesheim bauen.

In der Zuckerfabrik der Witwe J.M. Herbertz arbeiteten bis zu 45 Arbeiter, die Zuckerraffinerien sind in der Zeit von ca. 1810 bis ca. 1873 die ersten und wirtschaftlich immens wichtigen Industriebetriebe in Uerdingen.

Die Raffinerie der Witwe Herbertz innerhalb der Stadtmauern Uerdingens wurde durch die neuen Inhaber Wilhelm Peter Lüps und Heinrich Melcher seit 1874/75 als Zuckerfabrik Lüps & Melcher fortgeführt, die die benachbarte Frings Zuckerraffinerie im Laufe der Zeit in das Unternehmen integrierten.

Der Betrieb wurde bei einem Großbrand 1901 vernichtet, wieder aufgebaut, 1921 ist der Betrieb erneut abgebrannt. Die Zucker Produktion endete spätestens 1946, als die Maizena Handelprodukte aus Hamburg hier begann Mais zu verarbeiten. 1954 wurde deren Produktion in den Krefelder Rheinhafen verlagert und die Gebäude innerhalb der Uerdinger Innenstadt abgerissen und durch Wohnhäuser überbaut.

1 Ein direkter Kaufkraftvergleich von Talern zu Euro ist unmöglich, auch wenn man die Kaufkraftvergleiche historischer Geldbeträge der Deutschen Bundesbank nutzt, können nur vorsichtige Schätzungen gemacht werden

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Uerdinger Heimatbund e.V.

Industrie in Uerdingen
auf der Website zu Uerdingen von Horst Peterburs