1880 wurde in Uerdingen eine Aktien- Spritfabrik gegründet, deren Betrieb nach Konkurs bereits 1888 von Franz Holtz und Reinhard Willemsen übernommen wurde, um dort ohne große bauliche Veränderungen eine Ölfabrikation einzurichten. Die Anlage ist das älteste erhaltene historische Industriegelände in Uerdingen.
Sehenswert sind ist das Lagerhaus am Rheinwerft, sowie die Eckbebauung der ehemaligen “Raffinerie für technische Öle” zur Hohenbudberger Straße.
Geschichte und Hintergrund

Die Uerdinger Actienspritfabrik aus dem Jahr 1880, mit Kontorgebäude, Labor, Kessel- und Maschinenhaus, Gärraum und Spiritusanlage, Rektorenturm und Elevator am Rhein, brannte aus Agrarprodukten, wie zB. vergorenen und nicht mehr als Futtermittel einsetzbaren Ackerfrüchten einen Brennspiritus. Werksleiter der Aktiengesellschaft war Dr. Karl Meyer.
Aus dem “Bote für Stadt und Land”, Uerdingen im April 1881: “Der Bau der großen Spiritusbrennerei, welche von der Uerdinger- Actienspritfabrik hierselbst, an einem malerisch schönen Punkte des Rheines errichtet wird, geht seiner innern und äußern Vollendung entgegen und dürfte dieses Etablisement (nebenbei gesagt eine Zierde unserer Stadt) auch in weitern Kreisen um so mehr Interesse erwecken als dasselbe nicht nur durch seine räumlichen Verhältnisse, sondern auch wegen seiner Productionsfähigeit das bedeutenste seiner Art in Deutschland ist.
Es wird darin hauptsächlich Mais und sonstiges Getreide auf Spiritus und dieser wieder auf absolut fuselfreien feinsten Sprit verarbeitet. Sämtliche Apparate und Maschinen sind nach den neuesten vervollkommensten Systemen gebaut und alle wirkenden Kräfte auf sinnreichste Weise ausgenützt. Speciell für die Landwirthschaft der nähern und ferneren Umgebung ist die Fabrik von nicht zu unterschätzendem Vortheil, weil wegen des großen Quantums des täglich in der Brennerei erzeugten prachtvollen Futters— die Schlempe— es eigentlich eine Futterfabrik ist…
…Die Fabrik selbst ist durch Schienengeleise mit der Rheinischen und Berg.-Märkischen Bahn, sowie dem Rheine verbunden und hierdurch in der Lage alle Bezugs- Erleichterungen zu gewähren, dem Vernehmen nach haben sich schon an verschiedenen entfernter gelegenen Orten Genossenschaften gebildet oder sind noch in der Bildung begriffen, um gemeinschaftlich und wechselweise sich das tägliche Quantum frischer heißer Schlempe zu holen.” Quelle: Zeitpunkt.nrw “Bote für Stadt und Land”, Ausgabe 20 (23.4.1881) 33

Die Spritfabrik war unmittelbar am Rheinufer erbaut worden und nutzte diesen als Transportweg per Schiff, um Rohstoffe herbeizuführen, die mittels Elevator aus Schiffen gehoben werden konnten. Am 24. Juni 1885 legte jedoch ein anderes Schiff an: “Heute Morgen gegen 12 Uhr kamen per Dampfschiffchen nahezu 150 Herren aus BarmenElberfeld hier an. Dieselben, Mitglieder eines dort gegründeten Vereines für Technik und Industrie wurden unter Böllerschüssen von einigen hiesigen Kaufleuten begrüßt und begaben sich dann zur Besichtigung in die Actienspritfabrik.”, so die Niederrheinische Volkszeitung, Quelle: Zeitpunkt.nrw 37 (25.6.1885) 142
Für die Rückstände des Brennens von Spiritus, die sogenannte “Schlempe”, wurden Landwirte überredet, diese zur Fütterung von Schweinen zu verwenden. Ein großer Teil der Schlempe war aber unverkäuflich und wurde in den Rhein gespült, als kostenlose Müllabfuhr. Dies wiederum untersagte nun die für die Aufsicht über den Rhein zuständige Preußische Rheinstrombauverwaltung des Oberpräsidiums der Rheinprovinz in Koblenz und Techniker Dr. Meyer mußte andere Wege der Entsorgung gehen.
Er skizzierte darauf hin einen neuartigen Trocknungs- Apparat für die Schlempe, welcher dann in der Werkstatt der benachbarten Rheinischen Röhrendampfkesselfabrik von August Büttner gebaut wurde. Nachdem die Spritfabrik 1888 allerdings Probleme mit der Steuer bekam, verarbeitetes Getreide war z.B. nach Entscheidung des Finanzministers in Berlin nicht als steuerfreier Grünabfall zu werten, sondern sei als steuerpflichtig zu betrachten, wurde die Actienspritfabrik stillgelegt und Dr. Mayer wechselte in August Büttners benachbarte Rheinische Röhrendampfkesselfabrik.
Für die Anlage am Rheinufer interessierten sich nun die zwei Ölmühlen Besitzer vom Niederrhein, Franz Holtz und Reinhard Willemsen. Sie übernahmen den Betrieb und es entstand im unveränderten Gebäudebestand die Holtz und Willemsen Ölfabrik.


Die Werksanlage erstreckt sich in Nord-Süd Richtung auf einem vergleichsweise schmalen Grundstücksstreifen zwischen Rhein und Hohenbudberger Straße.
Die mehr als 200 Meter lange Rheinfront bot eine optimale Verbindungsmöglichkeit zwischen Werk und dem Anlieferungsverkehr für die Ölsaaten auf dem Rhein.
Das Unternehmen überstand die Weltkriege, wurde weiter ausgebaut, übernahm die Uerdinger Baumwollspinnerei (nicht erhalten) um zusätzlich dort Margarine herzustellen.

1936 wurde am Rheinufer eine neue Fabrik für technische Öle erbaut und die Mitarbeiteranzahl erreichte mit mit 600 ihren Höchststand.
1964 arbeiten bei Holtz & Willemsen 450 Mitarbeiter, aber knapp 15 Jahre später musste die Produktion eingestellt werden und 320 Beschäftigte verloren 1978 ihren Arbeitsplatz.
Umnutzung
Eine sinnvolle und für den historischen Industriestandort Uerdingen auch identitätsstiftende Nutzung wurde von wechselnden Eigentümern in den letzen Jahrzehnten immer wieder ins Auge gefasst, allerdings scheiterten die Versuche am Widerstand des größten Nachbarn und Planungsrecht.
Nachdem die Produktion eingestellt wurde, steht ein Großteil der Anlage seit Jahrzehnte leer und ist zu einer der bekanntesten Industrieruinen in Krefeld geworden. Die verfallenden Strukturen sind bereits aus großer Entfernung zu sehen.
Rheinblick
Imagebroschüre Rheinblick,
2003
Kulturhafen Projekt des Werkhaus e.V.
2010
Entwurf des Bebauungsplans
der Stadt Krefeld
2014

Erhalt
Zuerst führte die Übernahme des Geländes durch die Entwicklungsgesellschaft des Landes Nordrhein-Westfalen LEG zur Hoffnung, das Areal zu retten und umzunutzen. Konkrete Pläne entstanden um das Holtz- und Willemsen Gelände durch Wohnen und Arbeiten neu und kreativ zu nutzen.
Nachbar ist der Chemiekonzern (damals noch Bayer AG), Nachfolger der Farbwerke E. ter Meer & Co. Dieser sah die eigenen Entwicklungsmöglichkeiten durch potentielle öffentlicher Nutzung auf dem Gelände beschnitten und führte die Gefährdung von Arbeitsplätzen im Werk als Gegenargument an.
Dies und die Planungen der Investoren und deren Entwürfe führten zu einem schwierig umzusetzenden Bebauungsplan (seitens der Stadt Krefeld) und dies resultierte im Ergebnis in Jahrzehnten Stillstand und Verfall der Substanz. Trotz Denkmalschutz ist das hochrangige Industrie-Ensemble nun so erheblich beschädigt und verfallen, dass jüngst und letztendlich Gebäude aufgrund ihrer Einsturzgefahr abgerissen werden konnten.
Kritisch muss angemerkt werden, dass die Nutzung von „urbanen Wasserlagen“, die anerkannt zu den wertvollsten urbanen öffentlichen Orten gehören, in einer Vielzahl von Beispielen in ganz Europa erfolgt, mit dem Erhalt der ablesbaren historischen Substanz. In Uerdingen wurde damit eine große Chance vertan.
Ausblick
Planungen nutzen seit geraumer Zeit den Projektnamen “Rheinblick“. Dabei wird das langgezogene Gelände von unterschiedlichen Eigentümern und unterschiedlichen Projektträgern vom Rheinwerft aus zB. mit Luxus- Wohnungen mit exklusivem “Rheinblick“, für bis zu 1.4Mio€ pro Einheit bebaut werden.
Auf dem Actienspritfarik- Gelände ist heute, neben dem alten Lager am Rheinufer, noch die Maschinenhalle mit Backsteinfassade (1901) an der Hohenbudberger Streße erhalten, zusammen mit der neueren aber markante Raffinerie für technische Öle ganz am Ende des Geländes (aus dem Jahr 1936).





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von Walter Buschmann



