Die Drehbrücke des Krefelder Rheinhafens ist ein in Betrieb befindliches technisches Denkmal und zählt zu den Markenzeichen der Stadt Krefeld. Sie ist seit 1905 in Betrieb und wird täglich, da bisher keine andere kurze Zufahrt für die Hafenhalbinsel des Rheinhafens geschaffen werden konnte, von hunderten LKW befahren.
Sie Drehbrücke ist sehr sehenswert, Sitzbänke neben der Bücke laden zum Verweilen ein, der Standpunkt und Rundumblick ermöglicht das Erlebnis eine der herausragendsten Industriekultur-Landschaften des Rheinlands.
Geschichte und Hintergrund
An die in Krefeld 1905 erbaute Drehbrücke stellte man folgende Anforderungen: Die Verbindung der Hafenhalbinsel mit dem Ufer sollte über eine zweiarmige Drehbrücke mit je 32,4m Stützenweite erfolgen.
Ein besonders hochliegendes tragendes Fundament des Drehpfeilers im Hafenbecken war erforderlich, um die Hochwasserfreiheit des Betriebs sicherzustellen. Ein gut beweglicher Überbau, der dennoch im geschlossenen Zustand den hohen Belastungen durch voll beladene Eisenbahnzüge verkraften musste, musste hergestellt werden. Außerdem musste die Brücke, aufgrund des erwarteten regen Verkehrs, rasch gedreht werden können.
Im Vertrag vom 04.01.1905 ist unter anderem detailliert festgelegt: „Die Brücke soll berechnet werden, für schweres Landfuhrwerk und Motorwagen mit Anhänger der Straßenbahn und zusätzlich noch auf den Restflachen Menschengedränge. Daraus ergeben sich Belastungswerte für die Fahrbahn von 500 kg/m², für die Fußwege 400 kg/m². Die Fahrbahn soll außerdem eine Belastung aufnehmen, die der Überfahrung einer Dampfwalze entspricht. … Das Öffnen und Schließen wird vertraglich festgelegt mit weniger / gleich vier Minuten bei normalem Wetter.“
Technik
Durch die Maschinenbau-Gesellschaft Nürnberg wurde eine „Hauptträgerform ähnlich jener der Friedrichsbrücke in Mannheim gewählt“1, siehe https://structurae.net/de/bauwerke/friedrichsbruecke-1891
Für den Einbau der elektrohydraulischen Anlage der Brücke war vermutlich die Firma Haniel & Lueg in Düsseldorf verantwortlich, die wohl auch in Köln die Maschinerie lieferte. Der gesamte Antrieb für die rund 700t schwere Brücke ist im Drehpfeiler untergebracht und erfolgt durch einen liegenden Druckwasserzylinder, der von einem 30PS starken Elektromotor bewegt wird, und einen Wasserdruck von 93 bar erzeugt. Die Brücke wird so durch Wasserdruck, rund 11cm angehoben.
Ein zweiter kleinerer Motor dreht dann die Brücke über ein Getriebe, mit ausgehendem Zahnrad, das dann auf den im Pfeiler liegenden Zahnkranz von 10m Durchmesser auf die Brücke wirkt. Zur Stabilisierung wird die Brücke durch Gleitlager im Pfeiler gestützt. Bei Störungen des Antriebs kann mit einem Schwungrad im Notbetrieb die Drehung der Brücke durchgeführt werden.
Rückblick
Die Entwicklung der modernen beweglichen Brückentechnik hat europäische Ursprünge, die bis in die frühen 1600er Jahre zurückreichen. Verwendet wurden zuerst Schubbrücken, Rollbrücken, Zugbrücken.
Erste technische Beschreibungen von Drehbrücken mit Skizzen, sind in „La science des Ingénieurs“ aus dem Jahre 1729 und in „L’Architecture hydraulique“ 1737, von Bernard de Bélidor, beide in Paris erschienen, zu finden. Belidor beschreibt im letztgenannten Werk dazu detailliert eine im Hafen von Cherbourg ausgeführte hölzerne Drehbrücke. In Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Deutschland entstanden in der Folge weitere hölzerne Drehbrücken.
Eisen als Baumaterial
Nachdem 1779 in England, südlich von Coalbrookdale die erste feststehende Brücke aus Eisen errichtet wurde, heute UNESCO Weltkulturerbe, wurden bereits im Jahre 1804 erste gusseiserne Brücken über den Regent-Canal in London erbaut. Von 1848 an wurden in Deutschland erste größere Eisenbahn- Drehbrücken aus Gusseisen errichtet, eine überquerte den Landwehrkanal in Berlin, eine andere wurde in Frankfurt für die Main-Neckarbahn als Drehbrücke über den Main erbaut.
Die im Jahr 1851 erbaute Überquerung der Elbe bei Wittenberge besaß ebenso eine Drehbrücke. In Mainz wurde 1877 die bis heute erhaltene Winterhafen-Drehbrücke erbaut, der bewegliche Teil der Brücke ist allerdings aufgrund des Verfalls des Materials nun eine Replik.
Lagerung der Drehbrücken
Bei dem überwiegenden Teil dieser Drehbrücken wurden verschiedene Formen von Rollkränzen eingesetzt. Die Brücken ruhen dabei auf den Rollen, während ein Zapfen in der Mitte des Drehpunktes nur zu Führung dient.
Dieses vielfach und noch lange Zeit in Amerika angewandte Prinzip, bot zur Zeit der Errichtung und Betriebsaufnahme eine sichere Unterstützung der drehenden Brücke, führte aber schon bei leichterem ungleichen Druck der Arme zu fortschreitender Abnutzung des Rollkranzes und der der Laufrollen.
Auch die Reibungswiderstände erhöhten sich daher mit der Zeit. Europäische Konstrukteure suchten daher nach anderen Lagerungsmöglichkeiten und versuchten die Last der Brücken allein auf den festen zentralen Drehzapfen ruhen zu lassen, somit die immer noch notwendigen Rollen möglichst wenig zu belasten und nur zur seitlichen Abstützung zu nutzen. Die Bezeichnung für diese Brücke lautet dann „Stützzapfenbrücke“. Im Rheinland könnte wahrscheinlich 1873 die Drehbrücke der ersten Hochfelder Eisenbahnbrücke der Rheinischen Eisenbahn-Gesellschaft so ausgeführt gewesen sein.
Königsstuhl
In der weiteren Entwicklung versuchten Ingenieure dann die gesamte Brücke von den Ufer-Lagern abzuheben, auszubalancieren und dann zu drehen. Dafür wurden Hub-Mechanismen am Drehzapfen integriert. Um die Brücken vor der Drehung von ihren Lagern zu befreien, werden die Drehzapfen senkrecht angehoben, z. B. durch Hebel oder auch Schrauben, oder durch Wasserdruck. Alternativ kann dieser Zapfen auch unbeweglich bleiben, wenn dafür die Uferauflagerungen unter den Brückenarmen abgesenkt werden, damit dann die Brücke zu schweben beginnt.
Die auf den Drehzapfen aufgehängten Drehbrücken besitzen einen starken und mit dem Mauerwerk des Pfeilers verbundenen, meist gusseisernen Stuhl, den „Königsstuhl“, der den gesamten Druck des Drehzapfens aufnimmt. Die aus hochwertiger Bronze ausgeführte Druckpfanne wird durch Öl geschmiert.
Die in Duisburg ansässige „Actiengesellschaft für Eisen- Industrie und Brückenbau, vormals „J.C. Harkort“ (Johann Caspar Harkort), hatte bereits 1896 die Drehbrücken im Kölner Rheinauhafen erbaut.
Anders als die Kölner Brücke, welche – wie auch die später in Deutz 1907 errichtete Drehbrücke – mit jeweils asymmetrischem kurzem und langem Armen ausgebildet war, wurde die 1905 erbaute Krefelder Drehbrücke symmetrisch aufgebaut und zeigt daher eine vergleichsweise elegante geschwungene Konstruktion.
Die Brücke selbst führte in Kombination einen doppelten Automobil-Fahrweg, eine Eisenbahnverbindung, sowie Straßenbahnverbindung, davon getrennt auf beiden Seiten Fußgängerwege.
Belastungsfälle
In geschlossenem Zustand trägt die Brücke die Last, wie zwei hintereinander gelegte Balken vom Ufer zum Pfeiler und vom Pfeiler zum gegenüberliegenden Ufer. Die beiden tragenden Balken sind als Fachwerk geformt und tragen bei dieser Belastungsvariante den Kräfteverlauf in Zug- und Druckstäben in die Auflager ab.
In geöffneten Zustand hängen aber die beiden Fachwerkträger, mittels vier senkrechter Verbindungen am „Hauptseil“, das vom mittleren Portalpylon bis zum jeweiligen Enden der Arme führt. Der Portalpylon hat auf jeder seiner beiden Seiten zwei Druckstäbe, den hierüber wird die gesamte Eigenlast der Brücke in diesem Belastungsfall nach unten abgetragen.
Jugendstil
Die Formensprache des Bauwerks, aber auch verzierende Details der Brücke wie beispielsweise die Lampen, die Geländer, sind im Jugendstil gehalten.
Erhalt
Die Brücke wurde am 1. September 1905 erstmalig gedreht und ist annähernd unverändert mit der historischen Technik in Dienst.
Seit Jahrzehnten wird in unregelmäßigen Abständen das historische Bauwerk immer wieder infrage gestellt. Zwischenzeitlich sollte die Brücke bereits mehrfach abgerissen werden. Sie wurde als Grund für Verluste der städtischen Hafengesellschaften und als deren Entwicklungshemmnis angeführt. Eine Ersatz-Hubbrücke war 2003 bereits in Planung, konnte allerdings nicht realisiert werden.
Nachdem die Stadt Krefeld 2008 große Teile der seit 1905 in Dienst gegangenen stadteigenen Hafengesellschaft (gegründet als Hafenamt) an die Hafengesellschaft Neuss/Düsseldorf übertrug, sei „2009 das Schicksalsjahr“ der Drehbrücke, so der damalige neu bestellte Hafengeschäftsführer.
Mehrfach wurde von Denkmalschützern und Denkmalausschuß der Zustand der Drehbrücke bemängelt und die Hafengesellschaft aufgefordert, „der Verwahrlosung dieses wichtigen Industriedenkmals Einhalt zu gebieten“.
2014 beteiligte sich die Gesamtschule Uerdingen am Projekt Denkmal aktiv der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und die Schuler fanden heraus, warum die alte Drehbrücke erhaltenswert ist.
Nach jahrelangen Verzögerungen wurde 2020 mit den bereits Jahre zuvor bewilligten Mitteln eines Denkmalschutz-Sonderprogramms der Bundesregierung erste Sanierungsarbeiten an der Drehbrücke begonnen. Zuvor wurde erneut eine Licht- und Schrankenanlage installiert. Die Brücke soll nun ferngesteuert werden. Dazu soll die Drehtechnik durch einen neuen Motor erfolgen. 2021 wurden weitere Teile der Brücke instandgesetzt.
1 Handbuch der Ingenieurwissenschaften II. Band, Bewegliche Brücken, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann, 1907
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Literatur:
Heinzerling, F.: Die Beweglichen Brücken, Leipzig, 1883
Schäfer, Th. / Sonne, Ed.: Der Brückenbau (Handbuch der Ingenieurwissenschaften), Leipzig 1888
Schmidt. Eckhard: Fotodokumentation zum Abbau der Drehbrücke Kappeln an der Schlei, Kappeln 2012
Merlin: Eisenbahn und Straßenbrücke über den Oberhafen Hamburg, 1907
Hovey, Otis Ellis: Movable Bridges I und II, New York 1927
Bettge, Fritz: Eine Bewegliche Riesenbrücke, in Der Bautechniker 49, Berlin 1912, S.1219
Hüttenes, Christiane, Und wie lange dreht „sie“ sich noch? – Zur Entstehungsgeschichte
der Hafen-Drehbrücke in Heimat Krefeld, Verein für Heimatkunde e.V. Krefeld, Nr. 75, 2004, S. 149ff